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16:45 Uhr. 15 Minuten vor fünf. Ich bin schon da. Der
Coffeeshop ist nicht sehr voll. Nur Leute die für to go bestellen.
Ich fühle mich auch
eher “to go“. Ich weiß, wie die nächste Stunde ablaufen wird. Emily wird nur
über Josh erzählen jedes noch so kleine Detail. Ich gönne es ihr wirklich von
ganzem Herzen, aber sind Mann und Frau für immer gemacht? Wer sagt denn, dass
sie sich in zwei oder drei Monaten nicht auch so fühlt wie ich. Kann man sich
irgendwie davor retten? Es sollte doch nicht das Ziel sein, seine Gefühle
komplett aus allem rauszunehmen und nur mit dem Kopf zu agieren, nur damit man
nicht verletzt wird.
Ich brauche noch ein paar Minuten für mich. Traurig und
wütend laufe ich die Brücknerstraße entlang, den Fokus auf den
Zeitschriftenladen, als ich plötzlich einen jungen Mann an der Schulter
streife.
„Hannahhh, kennst du mich noch? Wie lange ist das denn her?“
Ohaa, wen haben wir
denn hier? Ben, ja ja der gut aussehende Ben aus meinem Abijahrgang. Alle Mädels
fanden ihn süß, aber er war immer mit Sandra zusammen. Die Beiden waren das
Pärchen schlechthin. Das war quasi eine Jugendliebe. Jetzt steht er vor mir,
der Junge meiner Teenagerzeit und ich sehe nicht nur beschissen aus sondern
fühle mich auch so.
„Wow Ben was machst du denn hier? Wie geht’s dir? Was machst
du? Ich bin ganz baff.“
„Haha das merke ich“, sagt Ben mit einem Augenzwinkern, „ich
wohne seit kurzem hier zwei Straßen weiter. Du siehst gut aus!“ Was für ein Schleimer…er weiß einfach was
Frauen hören wollen!
„Komisch, ich dachte ich sehe schrecklich aus. Wahrscheinlich
habe ich mich getäuscht.“, Ironie, pure Ironie spricht aus meiner Stimme. Ben
guckt mich besorgt an. „Ist alles in Ordnung Hannah? Wollen wir einen Kaffee
trinken und ein bisschen quatschen?“
„ Ben es tut mir wirklich leid, aber ich bin heute schon mit
Emily verabredet und ich brauche zur Zeit eher weiblichen Beistand. Vielleicht
ein andermal.“ „Hier, du kannst mich jederzeit anrufen oder vorbeikommen“, Ben
drückt mir seine Visitenkarte in die Hand, „ und vielleicht brauchst du
irgendwann auch mal wieder eine männliche Person mit einem offenen Ohr.“
Irre ich mich oder ist
aus dem kleinen süßen Ben von früher ein gestandener attraktiver Mann geworden?
Der dazu auch noch versucht ein Date zu ergattern? Dem fühlen wir mal auf den
Zahn: „ Was sagt denn Sandra dazu, dass du hier auf der Straße deine
Visitenkarten verteilst?“, Gesichtsausdruck: ein großes Grinsen und ein
verführerischer Blick. „Ach Sandra! Hannah wir haben uns wirklich lange nicht
mehr gesehen! Wir sind seit knapp drei Jahren getrennt.“ JACKPOT! Gerade war ich traurig und deprimiert, die Erinnerungen haben
mich langsam, Stück für Stück zerquetscht, doch jetzt sehe ich Hoffnung.
Eine neue Seifenblase
bildet sich. Aber erstmal eine kleine, wir wollen ja nicht gleich losfliegen.
Aber jetzt freue ich mich auf Em, jetzt kann ich mithalten.
„Oh Super! Ich meine okay“, mit einem verlegenen Grinsen
versuche ich nach außen cool zu wirken, aber innerlich suche ich nach einem
Satz, um mich aus dieser unangenehmen Situation irgendwie rauszumanövrieren,
„Ich rufe dich noch diese Woche an okay?“
„Ich wollte mich nicht aufdrängen. Aber ich würde mich über
einen Anruf sehr freuen! Bis später Hannah.“ Er hauchte mir ein Küsschen auf
die Wange und drehte sich um. Wie parallelisiert stand ich da und sah ihm nach.
„Bye“, war das einzige was mir über die Lippen kam. Okay jetzt brauchte ich
wirklich eine Zigarette.
Timecheck: 17.01Uhr, Zeit um Emily zu warnen, dass ich mich
5 Minuten verspäten würde.
Als ich beim Coffeeshop ankomme sitzt Emily schon auf den
Plätzen von denen man perfekt die vorbeilaufenden Leute beobachten kann. Mit
einem riesigen Latte Macchiato geselle ich mich zu ihr.
„Hey Hannah! Was war denn los? Du kommst doch sonst immer
überpünktlich.“
„ Ja ich war auch schon früher hier und auf dem Weg zum
Zeitungsladen bin ich jemandem über den Weg gelaufen. Ben kennst du ihn noch?“
„Ob ich Ben kenne? Aber natürlich…hatte er Sandra im Gepäck?
Was wolltest du überhaupt beim Zeitungsladen?“
„Mein Tag war heut echt, hmmm, schwierig sage ich mal. Ich
wollte mir Zigaretten holen.“ Mein Blick sinkt auf den Boden, denn ich weiß was
jetzt kommt.
Emily und ich haben
vor zwei Monaten aufgehört zu rauchen und sie schwört Stein und Bein, noch
nicht einmal rückfällig geworden zu sein. Ich dagegen kämpfe echt hart, aber
zwei bis drei Standpauken haben ich mir schon anhören müssen. Nach der Trennung
von Jim wollte ich mein Leben umkrämpeln, noch einmal ganz von vorne anfangen.
Wir waren immer unterwegs, haben die Nächte durchgefeiert, geraucht, getrunken
und uns geliebt. Wenn ich mich an die Zeit zurück erinnere fühle ich die
Geschwindigkeit, in der die zwei Jahre vergangen sind. Immer waren wir
unterwegs und immer gab es etwas Neues zu entdecken. Es war einfach
unglaublich, so was habe ich vorher noch nie mit einem Mann erlebt…
„…jedenfalls du weißt was ich darüber denke. Ich bin so
stark und du lässt dich bei jeder kleinsten Gelegenheit dazu hinreißen
und…Hannah..hallo!! Hörst du mir überhaupt zu?“
„Emily es ist mir egal, ich kann das nicht.“
„Was kannst du nicht?“ Emilys Blick verändert sich. Die
belehrende Emily bekommt ein Hauch Mitgefühl und ich merke wie mir die Tränen
in die Augen steigen.
„Ich kann ohne Jim nicht weiterleben. Jeden Tag kostet es
mich Überwindung aus dem Bett zu kommen und mir fehlt jeglicher Antrieb. Kannst
du ihn nicht mal anrufen? Oder ihm eine Nachricht schreiben?“
„ Bist du wahnsinnig Hannah? Das ist jetzt nicht dein
Ernst?? Was ist denn los Süße? Wie kommt es denn, dass du so einen Rückschlag
hast? Hat Ben irgendwas gesagt?“
„Nein nicht Ben. Ich habe meine Kleider vorhin aus der
Reinigung geholt. Da war das cremefarbene dabei…“ Tief durchatmen Hannah, kein
Grund zum heulen. „Ben ist Single.“
„Also, wenn das mal kein Gruß von oben ist. Du brauchst
Ablenkung meine Süße. Triff dich mit ihm. Ihr könnt nen Kaffee trinken gehen
oder ins Kino, lass es nur nicht zu schnell angehen. Du weißt du bist noch in
der Wiederfindungsphase. Für jedes Jahr Beziehung..“
„sollte man sich ein halbes Jahr Auszeit gönnen, ich weiß.
Ich überleg es mir, er hat sich echt verändert. Schluss jetzt, erzähl mir von
Josh.“